Silberne Löffel gegen ein Pfund Birnen

Der erste Weltkrieg jedoch bringt für die Hamburger Haushalte einschneidende Veränderungen. Anfangs noch euphorisch, finden sich die Menschen bald im tiefsten Elend wieder. Die Männer sind im Krieg, das Land bleibt unbewirtschaftet, und es gibt kaum Lebensmittel, Holz und Kohle. Nur unter größter Mühe gelingt es, das Nötigste zum Überleben heran zuschaffen. Viele Menschen verhungern. Der Hamburger Großmarkt, wo noch immer einige Landleute täglich ihre mageren Bodenschätze feilbieten, wird zur Anlaufstelle für ganz Hamburg. Die Lebensmittel werden rationiert. Nach dem Krieg, als das Geld plötzlich nichts mehr wert ist, geht es auch den wohlhabenden Hanseaten an die Substanz. In den Wohnungen der Bauern hält der Luxus Einzug. Silberne Löffel gegen ein Pfund Birnen, Orientteppiche gegen einen Sack Kartoffeln. Die großbürgerlichen Städter indessen stürzen sich auf Steckrübeneintopf und Kohlsuppe.

Erst um 1925 normalisiert sich die Lage wieder. Die Hamburger aber behalten ihre Gewohnheit bei und kaufen auch weiterhin auf dem Großmarkt ein. Die Zwischenhändler, nun ebenfalls wieder auf dem Plan, sind davon nicht gerade begeistert. Um Ausschreitungen zu vermeiden, wird auf dem Gelände des Großmarktes ein Kleinhandelsmarkt für die Konsumenten eingerichtet. Einige Händler, viele von ihnen Kriegsinvaliden, kommen der Kundschaft entgegen: Im Stadtgebiet entstehen die ersten Karrenhandelsmärkte, die Vorläufer der heutigen Wochenmärkte.

Die Nationalsozialisten gießen diese Entwicklung in eherne Gesetze: Ab 1938 dürfen Bauer und Selbsterzeuger nicht mehr selbst zum Markt kommen, sondern müssen ihre Erzeugnisse direkt am Hof an Großhändler abgeben, die die Waren zum Großmarkt transportieren und an Kleinhändler weiterverkaufen. Gleichzeitig wird den Endverbrauchern verboten, auf dem Deichtormarkt einzukaufen. Die kleinen Karrenhandelsmärkte im Stadtgebiet profitieren davon. Sie gedeihen prächtig – bis der zweite Weltkrieg ausbricht.

Denn die Lebensmittelrationierung lässt alle Wochenmärkte verkümmern, die meisten gehen ein. 1944 gibt es nur noch den Fischmarkt, den Altonaer Münzmarkt, den Spritzenplatz, die Märkte am Harburger Sand, in Wandsbek, am Eulenkamp, in Bergedorf und Billstedt. Ein Jahr später, bei Kriegsende, sind auch sie kaputt.