Phoenix aus der Asche: Mehr Ware als Geld
Nach 1945, als die Hamburger fassungslos in den Trümmern der zerbombten Stadt stehen, übernehmen die Alliierten die Bewirtschaftung Deutschlands. Auf den Vorkriegsmärkten beginnt sich leise wieder Leben zu zeigen. Doch die Waren sind knapp, die große Nachfrage steht in keinem Verhältnis zum Angebot. Fünf bis zehn Stände, mager bestückt, werden auf den alten Plätzen gezählt. Die Händler und Bauern sind verpflichtet, ihre Waren nur gegen Lebensmittelmarken herauszugeben. Oft dauert der Ausverkauf nur Sekunden. Zu Dutzenden stehen die Kunden schon morgens auf dem Marktplatz und erwarten die Händler. Weil die Ladengeschäfte der Stadt in Schutt und Asche liegen, gibt es für die Hamburger keine andere offizielle Möglichkeit, Essbares zu beschaffen. Der Schwarzhandel mit Lebensmitteln blüht an allen Ecken, es wird getauscht, was das Zeug hält.
Mit der Währungsreform schließlich erhob sich das Hamburger Marktwesen wie der sprichwörtliche Phoenix aus der Asche. Von einem Tag auf den anderen gab es wieder reichlich Ware auf dem Hamburger Großmarkt. Schon am Montag nach der Währungsreform konnte man sämtliche Obst- und Gemüsesorten, neue Kartoffeln, Fische und Räucherwaren kaufen. Im Juli 1948, so heiß es in einem Bericht der Marktaufsichtsbehörde, gab es bereits „mehr Ware als Geld“. Überall im Hamburger Stadtgebiet schossen neue Wochenmärkte wie Pilze aus dem Boden. Der Einkauf unter freiem Himmel wurde zum festen Bestandteil hanseatischen Lebensstils. Selbst als die zerstörten Einzelhandelsgeschäfte wieder aufgebaut waren und die ersten großen Kaufhäuser ihre Türen öffneten, blieben die Hamburger ihren Wochenmärkten treu. Es gibt nur wenige Beispiele, wo die Konkurrenz von Kaufhäusern, Einzelhandelsgeschäften oder Einkaufszentren sich nachteilig auf die Entwicklung des örtlichen Wochenmarktes ausgewirkt hätte.
Bald machten sich die prosperierende Entwicklung der Stadt und die große Nachfrage nach Lebensmitteln auch auf dem Hamburger Großmarkt bemerkbar. Aus aller Welt kamen die Waren per Schiff in die Hansestadt, die umliegenden Anbaugebiete im Alten Land und in den Vierlanden lieferten ebenfalls in rauen Mengen. Nicht nur in Hamburg, sondern auch Lübeck, Bremen, Osnabrück, Berlin und Hannover wurden vom Hamburger Großmarkt aus mit Lebensmitteln versorgt. Der Platz in den Deichtorhallen reichte längst nicht mehr aus.